13.6.25
Fr,
19:30

Ein Abend mit Helen Mort, Daniela Seel & Rachel Zucker
We are alone we are never alone we are always

Gespräch
Lesung
Poesiefestival Berlin 2025
silent green
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(c) Emma Ledwith
(c) Dirk Skiba
(c) Rachel Zucker

Drei Dichterinnen treffen an diesem Abend aufeinander, die sich in ihrem Schreiben mit Verletzlichkeit, Mutterschaft, Sterblichkeit und weiblichem Schreiben auseinandersetzen.

„Ich sehne mich, glaube ich, nicht danach, / natürlich zu sein, rein wie die Fußböden von Flughäfen“, heißt es in Helen Morts (geboren 1985 in Sheffield, UK) drittem Gedichtband, „The Illustrated Woman“ (Chatto & Windus 2022). Die Gedichte des Bands nehmen den weiblichen Körper facettenreich in den Blick, und zwar vor allem, wie der Titel schon zweideutig erkennen lässt, den tätowierten weiblichen Körper sowie die fremden Vorstellungen und ‚male gazes‘, die den weiblichen Körper zu definieren suchen. Es finden sich Gedichte über Schwangerschaft und Mutterschaft, über den älter werdenden Körper der eigenen Mutter, aber auch über Deepfake-Pornografie, deren Opfer Mort selbst vor einigen Jahren wurde. Einige Gedichte sind realen Frauen gewidmet, so etwa der meistfotografiertesten tätowierten Frau des 20. Jahrhunderts, Betty Broadbent, und der Pornodarstellerin August Ames, die sich 2017 das Leben nahm. Der immer wieder beschriebene tätowierte Körper wird dabei zum Ausdruck eines autonomen weiblichen Selbst, das sich die Deutungshoheit über den eigenen Körper zurückholt und ihn vor äußeren Zugriffen schützt: „Man könnte sagen: Sie entwarf sich selbst.“

„Eva ernst nehmen“ ist die Prämisse des Langgedichts „Nach Eden“ (Suhrkamp Verlag 2024), dem vierten Band der Dichterin und kookbooks-Verlegerin Daniela Seel (geboren 1974 in Frankfurt am Main). Evas Auszug aus dem Paradies, dem eingehegten Garten Eden, wird hier als Selbstermächtigung gelesen, als bewusste Entscheidung für Erkenntnis und Verletzlichkeit, für Gebären und Sterben – und für die Verantwortung, die damit einhergeht. Denn „sich zu entscheiden für Sterblichkeit, auszuziehen, in Weite, / unbehaust, auf sich zu vertrauen“ bedeutet auch, dass Vernichtung und Gewalt möglich sind. Hexenverbrennung und nationalsozialistische Euthanasie kommen vor, auch eine Totgeburt. „Die Ordnung des Gartens geht fehl. Ein Garten scheidet, in Kraut / und Unkraut, Nutzpflanze und Zierpflanze, Nützling und Schädling.“ Das Gedicht setzt dem entgegen eine poetische Sprache der „verdichteten, komponierten Frist“, die sich nicht auf einfache Dichotomien zurückzieht und sich, obwohl fähig zur Grausamkeit, bewusst gegen diese entscheidet. „Könnte ich meine Grausamkeit verlernen, / indem ich ins Sterben einkehre, nicht verdammt, / sondern zum Sterben begabt.“

Rachel Zucker (geboren 1971 in New York City, USA) widmet sich in ihren Essays und Gedichten, unter anderem in den Bänden „SoundMachine“ (Wave Books 2019) und „Museum of Accidents“ (Wave Books 2009), immer wieder aus autofiktionaler Perspektive dem weiblichen Schreiben und dem Schreiben als Mutter: „Aber es fühlte sich unmachbar an. Dieses gelingende Leben / Tag für Tag. für Tag. für. Tag.“ Den Zustand konstanter Unterbrechung, des Unfertigen und Ungeschliffenen, in dem sie sich zwischen Familienleben und Lehrtätigkeit befindet, integriert Zucker dabei in ihre Poetik. „Dichterin ist, wer sich falsch fühlt in einer falschen Welt und dennoch bereit ist zu sprechen, selbst wenn sie dadurch als falsch, hässlich, gebrochen und mitschuldig entlarvt wird“, schreibt sie in ihrem zuletzt erschienenen Essayband „The Poetics of Wrongness“ (Wave Books 2023), in dem sie ebenso die Konsequenzen eines radikal konfessionellen Schreibens reflektiert, das reale nahestehende Personen miteinschließt und die eigene Privatsphäre bricht.

Moderation: Lea Schneider

Die Veranstaltung wird englisch-deutsch gedolmetscht. Mit freundlicher Unterstützung von ECHOO Konferenzdolmetschen
Die Veranstaltung findet in der Kuppelhalle statt.