Veranstaltung: Oktober 2024

Mo
21.10.24
19.30 Uhr

Der gekränkte Idylliker
Poesie lesen von: Erich Kästner

Event-Picture: Der gekränkte Idylliker <br> Poesie lesen von: Erich Kästner

Lesung & Gespräch

Erich Kästner ist der neben Mascha Kaléko und Christian Morgenstern populärste deutsche Schriftsteller. Der Teil seines Werks, der bis heute Bestand hat, vor allem die Gedichte und die Kinderbücher (allen voran das berühmte „Emil und die Detektive“), entstand in einem Zeitraum von gerade einmal sechs Jahren, zwischen 1928 und 1934. Insbesondere die ersten vier in kurzer Folge erschienen Gedichtbände, Herz auf Taille (1928), Lärm im Spiegel (1929), Ein Mann gibt Auskunft (1930) und Gesang zwischen den Stühlen (1932), erweisen sich als großartige Zeugnisse der Zeitdiagnostik. In ihnen behandelt Kästner Nachkriegszeit, 20er Jahre-Dekadenz und ahnt die Schrecken des sich abzeichnenden Faschismus voraus. Mit dem ersten Band ist der berühmte Kästner-Ton schon ganz da: die gelassene Resignation, das Nüchtern-Konstatierende im wahlweise vieroder fünfhebigen Parlando. Man nannte ihn einen lächelnden Moralisten, er selbst sprach von sich als gekränktem Idylliker. Dass seine Bücher von den Nazis verbrannt wurden, lag an seiner radikalen Abrechnung mit dem deutschen Militarismus, z.B. in dem berühmten Gedicht „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“, in dem er beschreibt, wie unterm Schlips die Gefreitenknöpfe wachsen und deutsche Kinder mit gezogenem Scheitel auf die Welt kommen. Es sind aber auch immer wieder Gedichte über das auf Flaschen gezogene Glück, das dreigestrichene Oh der Sehnsucht, die Abschiede in der Vorstadt und die sentimentalen Reisen mit ernüchterndem Ausgang. „Man soll den Mächten, die das Herz erschufen, / nicht dankbar sein“, schrieb er.
Dass ausgerechnet er, der Hellsichtige, den Zeitpunkt der Immigration verpasste, weil er die Hitlerei für ein rasch vorübergehendes Übel hielt, überrascht. Später sagte er, er hätte bleiben wollen, um Augenzeuge zu sein. In der Kriegszeit vergeudete er sein Talent gezwungenermaßen im Trivialen und in dem (unter Pseudonym geschriebenem) Drehbuch des Ufa-Jubiläumsfilms Münchhausen. Nach dem Krieg konnte er an die herausragende Qualität des Frühwerks nicht mehr anschließen.

In Lesung und Gespräch: Max Czollek | Tanja Maljartschuk
Moderation: Irina Bondas

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Ort:
Haus für Poesie
Kulturbrauerei

Knaackstr. 97, 10435 Berlin


Eintritt:
6/4 €


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